Z 4 vom 03.04.1946


1.     Der Koordinierungsausschuß des Alliierten Kontrollrates beschloß in seiner 47. Sitzung am 26/3 die Eröffnung des internationalen Postverkehrs zwischen Deutschland und dem Ausland im Rahmen des Weltpostvereins mit Wirkung vom 1/4/46 mit Ausnahme von Japan und Spanien.

Diesen bescheidenen Anfang einer internationalen Verbindungsaufnahme wollen wir als erstes gutes Omen für die Wiederaufnahme eines internationalen Amateurverkehrs werten.


2.     Wie om Lührs mitteilt, sind unter den Studenten der Universität Göttingen etwa ein Dutzend DASD-Mitglieder. Er rechnet weiter mit etwa 50 OM zurückgreifen zu können, die an einen bekannten Amateur Anfragen über Fortbestand und Weiterarbeit des DASD gerichtet haben. OM Lührs hat vor einiger Zeit eine vom Geist der Verständigung getragene Anschrift an die ARRL gerichtet.


3.     Am 3/9/46 wird in Rio de Janeiro die 3. Interamerikanische Radio-Konferenz tagen.


4.     Seit Dez. 45 sind die amerikanischen und chinesischen Behörden durch das Arbeiten einer Rundfunkstation in Erstaunen gesetzt, die irgendwo in China auf 1450 kHz täglich 24 Stunden sendet. Sie überträgt lediglich amerikanische Schallplattenmusik ohne sich kaum jemals zu wiederholen, so daß man auf einen ungeheuren Plattenbestand schließen muß. Das Merkwürdigste ist, daß während des ganzen Tages keine Ansage erfolgt und überhaupt kein gesprochenes Wort übertragen wird.


5.     Am 11/3/46 wurde im Nürnberger Prozeß der frühere General der Luftwaffe Bodenschatz als Zeuge vernommen. In seiner Aussage führte er die deutsche Unterlegenheit in der Luft auf die funktechnische Überlegenheit der Alliierten zurück und gab an, man habe immer gehofft, bis zum Sommer 44 diesen Vorsprung aufholen zu können.

Kieler Kurier 13/3/46


6.     Diese funktechnische Überlegenheit der Alliierten hat ihren Ausdruck gefunden, in dem Sammelbegriff „Radar“ und die Entwickler und Praktiker auf diesem Gebiet, zum größten Teil Amateure, wurden mit Recht die „Retter ihres Vaterlandes“ genannt. Es sei daran erinnert, daß kurz vor dem Kriegseintritt der USA der deutsche Rundfunkkommentator Hans Fritsche spottete: „Churchill hat sich jetzt 2500 (?) Amateure aus den USA verschrieben, die ihm den Krieg gewinnen sollen.“ Und sie haben ihn für die Alliierten gewonnen! Die in Deutschland totgeschwiegene „Luftschlacht über England“, die unsere Invasion einleiten sollte, wurde von England dank der Anwendung der Radartechnik gewonnen, die ihren Boden- und Flugzeugstationen jederzeit einen Überblick über den Standort unserer Flugzeuge gab und es den unterlegenen Abwehrkräften ermöglichte, überraschend unsere Maschinen anzusteuern und abzuschießen. Diese verlorene Luftschlacht über England bedeutete für uns den Wendepunkt des Krieges. Der Wettlauf der Erfindungen in der U-Bootortung und deren Abwehr wurde von den Alliierten gewonnen durch die Überlegenheit in der Entwicklung hochleistungsfähiger Sende- und Empfangssysteme auf Zentimeterwellen (3 cm bei den letzten uns bekannt gewordenen Anlagen). Es soll versucht werden, in einem der folgenden Zirkulare einen Überblick zu geben über die hervorstechendsten und interessantesten Radar-Typen, da diese nicht nur für Kriegs-, sondern in gleichem Maße für Friedenszwecke Bedeutung haben. Die Sicherheit im See- und Luftverkehr wird durch die Radartechnik stark gehoben werden.


7.     Die Wireless World Febr. 46 beschreibt z. B. eine Ortungsanlage für das Walfangsmutterschiff Southern Venturer, die es erlaubt, Küstenumrisse, Eisberge, sowie sich nähernde Fahrzeuge bei Nacht und undurchsichtigem Wetter an drei verschiedenen Stellen an Bord gleichzeitig zu beobachten.


8.     Die Practical Wireless Dez. 45 brachte eine kurze Beschreibung des Decca-Navigators, der allerdings das Langwellen-Hyperbel Navigationsverfahren verwendet. Der Navigator zeigt auf zwei Meßinstrumenten die zum Standort des Fahrzeuges gehörenden „Gassen“ (Raum zwischen zwei Hyperbel-Positionslinien) direkt an, die ein Maß sind für die Unterschiede aus den Laufzeiten der Signale von drei Sendern, die in zwei Gruppen zusammenarbeiten. Die sich überschneidenden resultierenden Positionslinien sind auf Karten dargestellt und erlauben nach einfacher Ablesung auf den Decometer genannten Skalen die sofortige Bestimmung des Standortes.


9.     Unter dem Titel „Safety HQ for ships“ beschreibt die Daily Mail vom 18/3/46 die Errichtung eines Funkfernfeuers in Bush Mills, Nordirland, mit einem Kostenanschlag von £ 15.000. Das Consol genannte System wird Tag und Nacht mit zwei Stationen arbeiten und ist von engl. Wissenschaftlern aufgebaut unter Benutzung des deutschen „Sonnen“-Navigationsverfahrens und deutschen Beutematerials. Dieses aus dem Electra-Verfahren entwickelte „Sonnen“-System leitete die deutsche Luftwaffe bei ihren Angriffen gegen London, Coventry, Liverpool u. a. Städte. Durch dieses Verfahren werden jetzt Flug- und Fahrzeuge auf dem Atlantik bis zu einer Entfernung von 2200 km ihren Standort dadurch genau ermitteln können, daß sie während einer Minute die Anzahl der von beiden Sendern auf Mittelwelle ausgestrahlten Punkte und Striche zählen.


10.     Die selbe Zeitung kündigt in ihrer Nummer vom 16/3 die Errichtung eines neuen Flugsicherungsdienstes für die zivile Luftfahrt in England an. Britannien und das umliegende Seegebiet sind dazu in sechs Flugsicherungsbereiche eingeteilt worden mit je einer Kette von Bodenstationen, die mit den letzten Mustern von Ortungs-, Navigations- und Blindlandegeräten ausgerüstet sind, die auf der Radar- und Radio-Grundlage arbeiten. Die Stationen unterstehen der gemeinsamen Kontrolle des zivilen Luftfahrt-Ministeriums und der RAF.


11.     In einer Rundfunkmeldung aus Sydney wurde bekanntgegeben, daß die Beschränkungen für Radio-Amateure aufgehoben seien und daß Lizenzen unverzüglich wieder ausgegeben werden sollen.


12.     Nach den USA weiß Australien am meisten die Bedeutung der Radio-Technik zu würdigen, nicht zuletzt wegen der Möglichkeit, die es erlaubt, die Riesenentfernungen zu anderen Kontinenten in Sekundenschnelle zu überbrücken. So kommt es, daß besonders Australien jedes Jahr am „Radio Founder's Day“ alle Erfinder auf diesem Gebiet feiert. Die Feier fällt auf den 12. Dez. zum Gedenken an diesen Tag im Jahre 1901, als Marconi durch Übermittlung des Buchstaben „S“ zwischen Poldhu, Cornwall und Signal Hill, Neufundland, die erste transatlantische Funkverbindung gelang.


13.     „Self-soldering sleeve“ heißt eine Zünd-Lötverbindung, die während des Krieges zur Verbindung von Feldkabeln benutzt wurde. Sie besteht aus einer Kupferhülse, die zum Teil mit einem Fluß-Lötmittel gefüllt ist, das mit Initialzündstoff umgeben ist. Durch Schlag mit einer Ecke der Verpackungsbüchse entzündet sich der Satz und führt bei 375 °C eine feste Lötverbindung durch.


14.     Für Luftfahrtzwecke wurden neue Formen billiger, leichter und haltbarer Verbindungen (mechanischer Art) entwickelt, die unter dem Namen Spire in den Handel kommen. Eine federnde Klemm-Mutter, die eine gewöhnliche Mutter mit Zahnscheiben bei wesentlicher Materialersparnis ersetzt, besteht aus einem Blechstanzstück, aus dem zwei Backen herausgedrückt sind mit etwas geringerem Innendurchmesser als dem Kerndurchmesser der Schraube. Beim Anziehen pressen sich die Backen von beiden Seiten in einen Gang der Schraube und halten sie federnd und klemmend zugleich in ihrer Lage fest. Toleranzen spielen dabei natürlich eine untergeordnete Rolle.


15.     Für den Entwurf von Schaltskizzen wird in der Firma Metrovick eine zylindrische Zeichenrolle verwandt, die drehbar hinter einem Lineal angeordnet ist. An diesem Lineal werden auf dem transparenten, mit Millimeterpapier unterlegten Zeichenpapier die Wagerechten gezogen, während bei den Senkrechten der Bleistift über dem Lineal aufgesetzt wird und die Trommel mit der linken Hand darunter fortgedreht wird.


16.     Auf der Januar-Ausstellung der "Physical Society" in London wurde unter anderem ein Magnetron gezeigt, das bei einem Gewicht von einem guten Pfund in der Lage sein soll, auf einer Welle von 10 cm eine HF-Energie von 500 kW zu erzeugen. Die Leistung wird von einer einfachen Windung von ¼ Zoll Durchmesser abgenommen.

Die in England weit vorgeschrittene Dezimeterwellentechnik wird in Fachkreisen wegen der aus Blech aufgebauten Hohlraumleitungen und -Strahler "Klempnerei" (plumbing) genannt.


73 Mü.


Ende des Z 4 vom 03.04.1946

Abschrift und Archiv-Bearbeitung: DC7XJ

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