Kiel, den 16.2.1955

Ortsverbands-Rundschreiben

Nr. 2/55


ÜBERSICHT:


1) Zur Arbeit in den Ortsverbänden

„Hiermit erkläre ich meinen Austritt aus dem DARC. Der Grund liegt nicht in der Beitragserhöhung, sondern in der Arbeit des OV, insbesondere im Verhalten der Clubmitglieder (mit einigen Ausnahmen) zu suchen.

Im OV xyz wird jedem Neuling die Arbeit geradezu verleidet. Die abweisenden Mienen der verschiedenen OM lassen jeden Neuling bald wieder abwandern. Man versucht wohl auf diese Art die Zahl der Lizenzträger so klein wie nur möglich zu halten.

Ich habe hierfür Verständnis, glaube aber nicht, daß es im Sinne des DARC ist. Ihnen für Ihre weitere Arbeit viel Erfolg wünschend verbleibe ich

Hochachtungsvoll
gez. Unterschrift“

Briefe wie dieser, die durchaus nicht selten sind, stellen dem betreffenden Ortsverband bestimmt kein gutes Zeugnis aus. Sie deuten außerdem auf eine in der letzten Zeit häufig zu beobachtende Erscheinung hin: Manche Ortsverbände beginnen sich zu isolieren, man beschränkt sich dort auf die lizenzierten OM, bleibt unter sich und hält sich Neulinge möglichst vom Leib. Oft ist dabei tatsächlich die in dem zitierten Brief erwähnte Befürchtung maßgebend, daß weitere Lizenzen nur stören würden.

Eine derartige Auffassung birgt aber Gefahren in sich, die dem einzelnen OM vielleicht gar nicht bewußt sind. Der OV verliert damit den Nachwuchs und schwächt auf diese Weise nicht nur seine eigene Position, sondern trägt dazu bei, daß ganz allgemein der Amateurfunk an Bedeutung verliert. Oder wollen diese OM als die letzten Funkamateure in die Geschichte eingehen?

Wir treiben bewußt keine große Propaganda für unser Hobby – etwa nach dem Motto: ‚Werde Amateurfunker und die Welt gehört Dir‘ –, wir dürfen aber auch nicht in das andere Extrem verfallen und uns vollkommen abkapseln. Wir säßen dann auf einem absterbenden Ast, und der ganze Amateurfunk würde bald der Vergangenheit angehören. Daß es Stellen gibt, die darauf nur warten, dürfte wohl kein Geheimnis sein.

Der Auffassung, man solle neue Lizenzen möglichst verhindern, muß daher ganz entschieden widersprochen werden. Natürlich wollen wir die Zahl der Lizenzen nicht künstlich forcieren; aber dem Neuling, der mit großer Begeisterung zu uns kommt, dem wollen wir helfen und ihm den Weg zur Lizenz ebnen. Dies ist und bleibt eine der wichtigsten Aufgaben der Ortsverbände; das dürfen wir nicht vergessen.

Das Lehrgänge und Kurse von den OM, die sich als Ausbilder zur Verfügung stellen, erhebliche zeitliche Opfer und allerhand Geduld erfordern, darf dabei nicht übersehen werden. Es ist zu bewundern, mit welchem Elan sich manche OM Jahr für Jahr in dieser Beziehung für die Allgemeinheit einsetzen. Man soll das aber nicht als selbstverständlich hinnehmen und darf sich auch nicht wundern, wenn diese OM eines Tages sagen: ‚Nun kann es mal ein anderer machen!‘. Nicht jeder OM hat pädagogische Talente, es sollte aber dennoch in allen Ortsverbänden möglich sein, mehrere geeignete OM zu finden, die die Lehrgänge abwechselnd durchführen. Dadurch begegnet man am besten einer Ermüdung und allmählichen Resignation.

Diese Resignation wird verständlich, wenn man immer wieder erleben muß, daß meist nicht einmal die Hälfte der anfänglichen Teilnehmer den Lehrgang auch wirklich durchsteht und erfolgreich abschließt. Leider ist an dieser Erfahrungstatsache kaum etwas zu ändern, sie hat aber auch ihre gute Seite: Alles Strohfeuer brennt in dieser Zeit bestimmt ab. Um auf unsichere Kantonisten nicht allzu viel Arbeit zu verschwenden und sie nicht – ohne Aussicht auf Erfolg – durch den ganzen Lehrgang mitschleppen zu müssen, empfiehlt sich eine Regelung, die der OV Hamburg jetzt eingeführt hat. Dort wird anfänglich nur im Morsen unterrichtet. Der technische Teil des Lehrgangs beginnt erst, wenn im Morsekurs Tempo 40 BpM erreicht ist. Zum weiteren Lehrgang werden dann nur diejenigen zugelassen, die dieses Tempo erfüllt haben. Dadurch verringert sich zwar die Teilnehmerzahl, die Intensität des Lehrgangs wird aber wesentlich größer, und es ist auch eine bessere Berücksichtigung des Einzelnen möglich.

Noch etwas sei in diesem Zusammenhang erwähnt: Das Lehrgangsziel sollte nicht Tempo 60, sondern mindestens Tempo 70–80 sein. Ein Lizenzanwärter, der im Kursus dieses Tempo geschafft hat, kann der Lizenzprüfung mit einiger Ruhe entgegensehen. Wer aber im Kursus Tempo 60 gerade mit Ach und Krach erfüllte, fällt bei der Prüfung – wenn die Aufregung dazu kommt – bestimmt durch.

Besonderen Problemen – dies betrifft nicht nur die Ausbildung der neuen Mitglieder, sondern die OV-Arbeit allgemein – sehen sich die ländlichen Ortsverbände gegenüber, deren Bereich sich oft über ein sehr großes Gebiet erstreckt. In derartigen Fällen bedarf es einiger Initiative des OV-Vorstandes, den Kontakt zwischen den Mitgliedern zu erhalten und zu fördern. Daß das aber kein Ding der Unmöglichkeit ist, dafür ist der OV Hoher Meißner ein gutes Beispiel. Zu diesem Ortsverband gehören etwa 25 Mitglieder, die in einem Gebiet wohnen, das sich über ca. 40×50 km erstreckt. Die Beteiligung an den fast jeden Monat in wechselnden Orten stattfindenden OV-Veranstaltungen betrug im vergangenen Jahr durchschnittlich 50 % (also mehr als in manchen städtischen OV). Allerdings wurde den OM auch jedesmal etwas Besonderes geboten (Vorträge, Besichtigungen, Wettbewerbe etc.), und der OV lud zu allen Treffen schriftlich ein. Die daneben laufende Ausbildungsarbeit hatte zur Folge, daß drei neue Lizenzen in diesem OV erteilt wurden. Diese hier nur skizzierten Tatsachen mögen zeigen, daß auch bei räumlicher Ausdehnung der OV nicht nur ein verwaltungsmäßiges Gebilde zu sein braucht, das lediglich in der Kartei der Geschäftsstelle existiert.

Auch in den Städten gibt es leider einige Ortsverbände, die nur noch auf dem Papier stehen, weil die OV-Tätigkeit dort eingeschlafen und damit der Zusammenhalt unter den Mitgliedern verloren gegangen ist. Auf den OV-Versammlungen wurde nichts mehr geboten oder sie waren zu bloßen Bierrunden geworden, und neue Impulse fehlten. Dabei gibt es so viele Möglichkeiten, die Arbeit des OV wirklich interessant zu gestalten und nicht nur künstlich am Leben zu erhalten. Viele Ortsverbände haben z. B. Wettbewerbe eingeführt, die über das ganze Jahr laufen und jeden Interessentenkreis ansprechen. Unser Hobby ist so vielseitig, daß es bei einiger Initiative nicht dazu zu kommen brauchte, daß die Mitglieder den Kontakt zu ihrem Ortsverband verlieren.

Anerkennenswerterweise bemühen sich viele Ortsverbände darum, ihren Mitgliedern Material (Einzelteile, Röhren usw.) zu günstigen Bedingungen zu verschaffen. Manchmal wird dabei allerdings auch etwas über das Ziel hinausgeschossen. So sollte es z. B. vermieden werden, daß sich einzelne Ortsverbände direkt an die Zentralen der Industriefirmen wenden, um für ihren OV etwas „herauszuschlagen“. Der DARC versucht bereits seit einiger Zeit, die Industrie für eine Unterstützung der Funkamateure in ihrer Gesamtheit zu gewinnen. Diese Bemühungen sind jedoch erfolglos, wenn gleichzeitig, aber unabhängig davon einzelne Ortsverbände für sich dasselbe versuchen und dabei womöglich den Anschein erwecken, sie handeln im Auftrage des DARC. Durch derartige selbständige Aktionen der Ortsverbände werden manche Quellen für die Allgemeinheit verstopft.

In diesem Zusammenhang muß auch auf die Zahlungsmoral hingewiesen werden. Im vergangenen Jahr hatte sich z. B. die Firma Görler, Berlin, bereiterklärt, Spulenrevolver zu äußerst günstigen Bedingungen an die Ortsverbände zu liefern. Die daraufhin bestellten Teile waren von einigen Ortsverbänden aber nach acht Monaten noch nicht bezahlt, so daß sich die Firma schließlich an den DARC wandte. Ist es ein Wunder, wenn die Firmen nach solchen Erfahrungen skeptisch werden? Einzelne unordentliche Ortsverbände können auf diese Weise empfindliche Nachteile für alle verursachen.

Nicht nur in solchen Fällen, sondern ganz allgemein möge jeder Ortsverband, der in irgendeiner Weise an die Öffentlichkeit tritt, stets daran denken, daß man von ihm auf den gesamten DARC schließt.


2) Kurzwellentagung 1955

Für die Durchführung einer Kurzwellentagung 1955 hat lediglich der OV Kassel Vorschläge gemacht. Danach soll die Tagung vom 29. bis 31. Juli im Rahmen der in diesem Jahre in Kassel veranstalteten Bundesgartenschau stattfinden. Ungeklärt ist zur Zeit allerdings noch die Frage der Finanzierung, so daß eine endgültige Entscheidung bisher noch nicht getroffen werden konnte.


3) Mindestalter für die Lizenzierung

In der letzten Zeit wurde wieder verschiedentlich die Frage gestellt, ob nicht eine Herabsetzung des Mindestalters für die Lizenzierung bei der Bundespost erwirkt werden könne. Eine generelle Herabsetzung ist nun aber selbst dann, wenn sie allgemein als wünschenswert angesehen würde, nicht ohne weiteres möglich, da das Mindestalter von 18 Jahren gesetzlich festgelegt ist. Eine Herabsetzung würde also eine Gesetzesänderung bedingen, über die nur der Bundestag entscheiden kann.

Die Bundespost hat aber bereits vor etwa zwei Jahren (s. OV-Rund Nr. 6/53) in einer Verfügung an die OPDen die Möglichkeit gegeben, daß Lizenzanwärter schon mit 17 Jahren zur Prüfung zugelassen werden können. Werden bei der Prüfung besonders gute Leistungen gezeigt, dann kann auf besonderen Antrag, der von der OPD an das Bundespostministerium zu richten ist und von diesem entschieden wird, eine Lizenz bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres erteilt werden.


4) Aus der IARU

Nach der Aufnahme der Japan Amateur Radio League (JARL) zählt die IARU jetzt 50 Mitgliedsverbände, von denen 16 bereits über 25 Jahre zur IARU gehören: ARRL (USA) - ARI (Italien) - Canadian Sect. d. ARRL - EDR (Dänemark) - IRTS (Irland) - NZART ( Neuseeland) - NRRL (Norwegen) - RSGB (England) - REF (Frankreich) - SARL (Südafrika) - SSA (Schweden) - UBA (Belgien) - URE (Spanien) - USKA (Schweiz) - VERON (Holland) - WIA (Australien). Als 51. Mitglied bewirbt sich z. Zt. der Radio Club Boliviano um die Aufnahme.


5) RSM-Code

Im Rahmen des IARU-Kongresses der Region 1 im Mai 1953 war ein RSM-Code vorgeschlagen worden, mit dem bei Telefonieverkehr neben der bisher üblichen Beurteilung der Lesbarkeit und Lautstärke auch die Modulation gekennzeichnet werden könnte. Einzelheiten wurden im Heft 8/54 des DL-QTC (Seite 375) veröffentlicht.

Über die Einführung dieses RSM-Codes hat nun Ende vergangenen Jahres eine Abstimmung unter den IARU-Mitgliedern stattgefunden. Dabei sprachen sich 22 Verbände für und 3 gegen die Einführung aus. Der RSM-Code ist damit offiziell von der IARU angenommen worden und sollte daher künftig bei Telefonie-Rapporten allgemein verwendet werden. Die Skala dieses Codes lautet:

R 1–5 Lesbarkeit (wie bisher)
S 1–9 Lautstärke (wie bisher)
M 1 unverständliche Modulation
M 2 schlechte Modulation, hervorgerufen durch wilde Schwingungen oder unbekannte Ursachen
M 3 schlechte Modulation infolge FM-Anteils
M 4 Übermodulation
M 5 gute Modulation, 100 % werden nicht überschritten


6) Generalversammlung 1955 der USKA

Die diesjährige Generalversammlung der Union Schweizerischer Kurzwellenamateure (USKA) fand am 23. Januar in Thun statt. Als Vertreter des DARC nahm OM Bauer, DL1DX, daran teil. Er überbrachte die Grüße der deutschen OM, die von den versammelten USKA-Mitgliedern auf das Herzlichste erwidert werden.


7) DARC-Amateurfunk-Bücherei

Der seit einigen Monaten vergriffene Band Nr. 4 Kurzwellenamateur-Antennen von W. Diefenbach ist jetzt zum Preise von DM 1,– wieder lieferbar.


8) Neues förderndes Mitglied

Mit Wirkung vom 1. Januar 1955 wurde die Firma Max Funke K.G., Spezialfabrik für Röhrenprüfgeräte, Adenau/Eifel, als förderndes Mitglied in den DARC aufgenommen.


9) Mitgliederkartei der Ortsverbände und Distrikte

Dadurch, daß bisher Zugänge und bloße Anschriftsänderungen auf gleichfarbigen Karteikarten mitgeteilt wurden, waren Verwechslungen und Doppelführung möglich. Um diese Fehlerquelle auszuschalten, werden künftig Anschriftenänderungen von Mitgliedern, die bereits bei dem betr. OV bzw. Distrikt geführt werden, auf grünen Karten mitgeteilt. Übersendung einer grünen Karte bedeutet also, daß die Angaben auf der bereits vorhanden Karte entsprechend zu ändern sind. Bitte im Merkblatt vom 15.12.54 vermerken!


10) Ergänzungen zum Organisationsplan vom 15.1.1955

Distrikt:

Ortsverband:

Baden Bodensee (bisher Stahringen) M. Weissmann, DJ2HT
Bay-N Arzberg (neu) F. Eberhardt, DL3JL
Bay-S Töging (neu) Gg. Wittmann, DJ2JZ
Hambg Cuxhaven i.V. A. Köster, DL9LE
Hess. Babenhausen z. Zt. vakant
Ruhr QSL-Vermittlung: G. Bockamp, DL9EF
Duisburg-Süd H. H. Dattenberg, DL9IM
Wf-S Arnsberg J. Feld, DL6IM
Württ Friedrichshafen W. Kühnle, DL9ZZ
Vaihingen/Enz W. Häselin, DL9UK


Mit VY 73, gez. Hansen, DL1JB


Abschrift und Archiv-Bearbeitung: DC7XJ


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